Tiebreak schon bei 3:3, No-ad-Scoring, Hawk Eye statt Linienrichter, No-let-Rule und vieles mehr. Bei den Next Gen Finals in Mailand hat die ATP das "Tennis von Morgen" getestet. Sinnvolle Änderungen oder Schwachsinn?
Soll Tennis neu erfunden werden? Was bedeuten die neuen Regeln bei den Next Gen ATP Finals
Wesentlich kürzere Sätze, Regeländerungen für mehr Action auf dem Tennisplatz. Beim Next Gen Masters in Mailand hat die ATP einige gravierende Neuerungen getestet, die den Tennissport extrem verändern könnten - oder man kann sagen: extrem verändern wird! Denn was die ATP bei den Youngsters getestet hat, wurde fast immer später auch auf der gesamten Profitour eingeführt ... Es scheint also, also ob wir hier erstmals die Zukunft des Tennis sehen durften!
Next Gen ATP Finals - was ist das jetzt eigentlich wieder für ein Turnier??
Eine Woche vor dem "großen" Masters - den ATP Finals der acht weltbesten Tennisspieler in London - hat die ATP 2017 erstmals seine neue Marke Next Gen auf der großen Tennis-Weltbühne eingeführt. Bei diesem Next Gen Final ermitteln die acht vielversprechendsten Tennis-Talente der Profi-Tour ihren "Master der nächsten Generation". Eigentlich wäre auch Alexander Zverev in Mailand am Start gewesen. Der hat sich aber für das "große Masters" qualifiziert und schlägt verständlicher Weise lieber in London auf.
Sorry, ob mit oder ohne Zverev - interessanter als der Ausgang dieses Turniers sind eigentlich die revolutionären Regel-Änderungen, die die ATP bei ihrem Versuchslabor NextGen offiziell getestet hat. Denn wer ähnliche Versuche auf der ITF- oder ATP-Tour in den letzten Jahren beobachtet hat, der weiß: Wenn der Versuch nicht völlig schief geht, dann werden die Änderungen bald überall eingeführt...
Ziel dieser neuen Regeln ist vor allem, das Profi-Tennis attraktiver zu machen und somit auch wieder mehr TV-Zeiten zu generieren.
The winner of the Next Gen is ...
Ob der Tennissport durch die neuen geplanten Regeländerungen gewinnen wird, das bleibt abzuwarten ... Gewonnen hat zumindest die erste Ausgabe des Next Gen-Finals übrigens der Südkoreaner Chung Hyeon. Der 21-jährige Weltranglisten-54. setzte sich gegen den ein Jahr jüngeren Russen Andrej Rublew mit 3:4 (5:7), 4:3 (7:2), 4:2, 4:2 durch. Chung erhält für den Sieg 390.000 Dollar (ca. 335.000 Euro), jedoch keine Weltranglistenpunkte. 3:4, 4:3 - das Ergebnis kommt Dir komisch vor? Gewöhn` Dich schon mal an diese "Kurz-Sätze" - denn sie sind ein elementarer Teil des Tennis der Zukunft ...
So könnte das Tennis der Zukunft aussehen - die wichtigsten Regeländerungen im Überblick
Verkürzte Sätze: Um einen Satz zu gewinnen, braucht es nicht mehr sechs, sondern nur noch vier gewonnene Spiele. Der Tiebreak kommt nicht mehr beim Stand von 6:6 zur Anwendung, sondern schon bei 3:3. Dafür muss der Sieger jedoch immer drei statt nur zwei Sätze gewinnen. Der Grund für diese Änderung laut ATP: Man wolle vermeintlich geringeren Aufmerksamkeitsfähigkeit jüngerer Fans Rechnung tragen ... Gerade bei den oft an Überraschungen angeblich so armen Grand Slam-Turnieren soll die neue Regelung zu mehr Nervenkitzel und Überraschungen führen.
No-ad-Scoring: "Ad", wie Advantage, Vorteil. Nach der neuen Regel gewinnt der Athlet das Spiel, der als Erstes vier Punkte erzielt. Die Vorteilsregelung fällt weg. Im Doppel, beim College Tennis in den USW sowie bei vielen Showveranstaltungen wird längst mit der No-ad-Regel gespielt. Durch die Entscheidung beim Stand von 40:40 steigt der Glücks- und Nervenfaktor an. Es nimmt dem Tennis aber auch seine monumentalen Schlachten.
Shot Clock: Eine für alle einsehbare Spieluhr soll zu lange Pausen zwischen den einzelnen Punkten verhindern. Diese Regel hat große Chancen, künftig flächendeckend eingeführt zu werden, bringt sie doch eine enorme Zeitersparnis. Kritiker befürchten, die Regel könne nach tollen Ballwechseln die Stimmung abwürgen. Vorschlag für eine sinnvolle Alternative: Den Countdown erst beim Abklingen des Beifalls zu starten.
No-let-Rule: Aufschläge, die die Netzkante berühren aber im Servicefeld landen, werden einfach weitergespielt. Die auf your-tennis.de bereits diskutierte No-let-Regel soll ab 2018 bei den Junioren ausprobiert wird, dürfte auch bald im Profitennis Alltag sein.
Hawk-Eye statt Linienrichter: Irgendwie ja auch schade, aber demnach gäbe es keine Diskussionen mehr mit dem Stuhlschiedsrichter, ob der Bal "in" oder "out" war. Und mit den Linienrichtern sowieso nicht, denn die gibt es lt. der neuen Regelung gar nicht mehr. Aber: Wenn jede Entscheidung auf den Millimeter genau von der Technik fehlerfrei getroffen wird, sollte es zumindest gerechter zugehen und Fehlentscheidungen der Vergangenheit angehören ... Zumindest für die Top-Spieler: Denn wie der sog. Challenge in der jetzigen Form wird das neue System wohl nur auf den Hauptplätzen eines Turnier eingesetzt.
Free-Movement-Policy: Dieser Begriff bedeutet schlicht und einfach, dass die Eingänge nicht bis zum Seitenwechsel geschlossen bleiben, man kann auch im laufenden Spiel kommen und gehen wann man will. Das sollte dem Fernsehzuschauer herzlich egal sein, als Spieler könnte das mächtig nerven. Aber natürlich ist für den Zuschauer vor Ort durchaus nervig, wenn man am Eingang gefühlt ewig auf den Einlass warten muss, weil ein Aufschlagspiel diverse Male über Einstand geht. Aber: Die vielen "Einstände" gibt es ja dann gar nicht mehr. Das Argument schwächt sich im Zusammenspiel mit „No-Ad“ also schon wieder ab.
Und was wurde noch geändert? Die weiteren Regel-Innovation beim NextGen-Finale
Auch neu in Mailand war das Shorter Warm-up: Schluss mit langem Aufwärm-Gedaddel vor dem Match. Das Match beginnt jetzt genau fünf Minuten nachdem der zweite Spieler den Court betreten hat.
Player Coaching: Am Ende jeden Satzes können die Spieler via Headset mit ihrem Coach reden. Eine Regel, die auf der WTA-Tour bereits praktiziert wird, bei den Männern aber noch immer diskutiert wird.
Begrenzung des Medical Time Outs: Waren bisher zwei Unterbrechungen aus medizinischen Gründen pro Match und Spieler erlaubt, durfte jetzt nur ein "Time-Out" pro Spieler und Match genommen werden. Und das war auf 60 Sekunden limitiert.
Gab es z.B. bereits beim Grand Slam Cup in den 1990er Jahren und auch schon bei einigen "großen" Masters der ATP: Singles-only Court. Soll bedeuten: Bei Turnieren, bei denen lediglich Einzel gespielt wird, entfallen die Dippellinien. Sieht auf den ersten Blick ungewohnt aus, ist aber logisch ...
Weitere Infos, Meinungen und Hintergründe zu der sog. Revolution im Tennis: weiter
Übrigens: Nicht nur bei den Profis, auch bei den Amateuren gibt`s immer wieder Neuerungen. Top aktuell ist dabei vor allem die geplante Reformation des LK-Systems.
Und was sagen Spieler und Zuschauer zu diesen neuen Regeln? www.your-tennis.de hat sich in Mailand umgehört. Die durchaus interessanten und auch überraschenden Meinungen kannst hier lesen!
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